Freitag, 11. November 2016

Kanu-Abenteuer auf dem Whanganui

Der Legende nach entstand der Whanganui als zwei mächtige Vulkane, der Mount Taranaki und der Mount Tongariro um die schöne Mount Pihanga kämpften. Mount Taranaki zog dabei den Kürzeren und musste sich vom Zentrum in den Westen der Nordinsel zurück ziehen. Dabei hinterließ er eine tief zerklüftete Landschaft, den heutigen Whanganui National Park. Der Mount Tongariro schickte kühles Wasser, um die Wunden der Erde zu heilen und so entstand der Whanganui River, auf dem wir atemberaubende 2 Tage mit dem Kanu verbracht haben.

Schon die Anreise mit dem Kleinbus nebst Kanu-Anhänger ist abenteuerlich. Eineinhalb Stunden bergauf-bergab, davon ein Großteil Gravel-Road. Eine verwunschene Gegend, selten mal ein abgelegener Bauernhof, Schafe, sonst nichts ... eben ein National Park. Klar ist, wenn der Bus erstmal weg ist, dann gibt es keine Hilfe oder Alternative mehr, wir müssen mit dem Kanu an den vereinbarten Treffpunkt paddeln. Aber zum Glück sind wir nicht allein, es gibt neben unserem drei weitere Kanus und wir werden in der Sicherheitseinweisung angehalten, zusammen zu bleiben.

Das erste Mal mulmig wird uns schon am Anfang, die Stelle an der die Kanus zu Wasser gelassen werden, ist direkt in einer Stromschnelle ... sowas gibt's nicht auf der Alster ... niemand hatte vorher gesagt, dass wir ständig durch Stromschnellen paddeln müssen! Kurze Theorie-Einführung zum Befahren von Stromschnellen ... der Hinweis, dass Kentern auf dem Whanganui generell blöd sei, es könne Kilometer dauern, die man schwimmend an seinem Kanu hängt, bis ein Strand kommt, an dem man anlanden, das Boot und sich selber trocken legen kann. Da vorne um die Ecke ist direkt eine schwierige Stromschnelle (wie jetzt ... noch schlimmer als diese hier vor unseren Augen!?!) und dann: Good luck, have fun!

In der Um-die-Ecke-Stromschnelle legen wir erstmal eine 360Grad-Pirouette hin. Auch die folgenden Stromschnellen überstehen wir ohne zu kentern, wenn auch nahe am Herzinfarkt. Die Theorie scheint zu funktionieren, erste Entspannung und auch mal ein Blick in die Landschaft. Das Whanganui-Tal ist eine steile Klamm, rechts und links gehen senkrechte Felswände 100 m und mehr nach oben, die Hänge bewachsen mit Urwald. Atemberaubend ... aber auch keine Chance, dem Fluss zu entkommen.  Der nächste Ort mit Strassenzugang liegt 88km oder 3 Paddeltage entfernt.


Am ersten Tag paddeln wir zur John Coull Hut, das sind 37,5 km. Ziemlich viel, aber wir haben Glück: Durch Regen ist der Wasserstand hoch und damit die Strömung schnell. Es geht also flott voran, zum Ausgleich machen dafür die Stromschnellen ihrem Namen Ehre. Nach 2-3 Stunden haben wir den Dreh raus ... grob ...




Alle 2-3 Stunden kommt ein 'Campsite'; ein Platz mit Möglichkeit zum Anlegen, Mulchklo und Wasser (gesammeltes Regenwasser) 20-30m oberhalb des Flusses. Dort kann man pausieren oder im Zelt übernachten, wenn man dies nicht in der Hütte tun möchte. Der Whanganui ist unberechenbar, er kann innerhalb kürzester Zeit um viele Meter ansteigen und damit für Paddler lebensgefährlich werden, deshalb liegt alles Wichtige auf winzigen Plateaus 20-30m höher. Das Anlegen in der Strömung garantiert immer nasse Füße, manchmal auch mehr ... ;-)




Nach 6 Stunden kommen wir bei unserer Hütte an. 


Dort erwarten uns Shirley und Jessy, unsere Hut Wardens. Gerechnet hatten wir mit einem sonnengegerbten Ranger um die 30, statt dessen sitzen dort zwei Damen um die 60 mit einem Glas Rotwein in der Sonne und führen uns in die Hütte und die Spielregeln ein ... alle Schuhe mitsamt dem Matsch dran bleiben draußen!


Die beiden sind unfassbar sympathisch, das liegt nicht nur am Wein. Wir kommen ins Gespräch und erfahren, was die beiden in diese nur per Jet-Boot erreichbare Einsamkeit führt. Die beiden kommen von der Südinsel und sind Farmerinnen und machen eine Woche kostenlosen Urlaub ohne ihre Männer. Wir lernen, dass die 100e von Berg- und Naturhütten in Neuseeland von Freiwilligen betrieben werden. Man braucht eine Grundausbildung als Ranger und kann sich auf einer Internet-Seite melden. Statt etwas zu zahlen, muss man nach dem Rechten sehen, Wanderer/Paddler einweisen, morgens per Funk den Wetterbericht abholen und mit Rat und Tat den Gästen zur Seite stehen. Toll! Die beiden haben einen Riesenspass von ihrem tollen Land zu erzählen und wir haben einen netten Abend!


Unser zweiter Paddeltag fängt weniger gut an, die einzige Verbindung in die Außenwelt ist das besagte Funkgerät. Das verkündet an diesem Morgen die Ergebnisse der US-Wahl und bereitet uns auf Regen vor. In der Wildnis muss man die Dinge so nehmen, wie sie kommen ... dafür sind wir jetzt schon Paddel-Erfahren und meistern die Stromschnellen des Tages mit Bravour ... mal abgesehen von einer Pirouette, weil wir versehentlich in einen Strudel fahren.

Am Nachmittag trennen wir uns von unserer Paddel-Gemeinschaft. Wir haben als einzige die Möglichkeit entdeckt, den dritten Tag durch eine Jet-Boot-Fahrt für die letzten 30 km zu ersetzen. Geschickt haben wir damit ein weiteres NZ-Must-Do eingebaut! Schwups-die-wubs wird unser Gepäck und das Kanu verladen und wir brausen mit 50 km/h über die Stromschnellen zum nächsten Ort mit Straße, wo wir schon erwartet werden, um in die Zivilisation und unserem Camper zurück gebracht zu werden.



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